Presse

Sächsische Zeitung, 29.5.2019

Nicht nur Clara Schumann – Konzert des Kammerchores Pesterwitz
VON MAREILE HANNS

Denkt man an komponierende Frauen, so fällt einem – speziell in diesem Jahr ihres 200. Geburtstags – vor allem Clara Schumann ein. Aber es gab noch mehr Komponistinnen, auch solche, die es wie Clara nicht einfach in ihrem Dasein und mit ihrer Profession hatten. Bei Clara Schumann war es das Leben mit dem schwierigen Gatten Robert, der zu versorgenden großen Familie und den schwierigen äußeren Umständen. Fanny Hensel stand immer im übermächtigen Schatten ihres Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts kämpfte die hochbegabte Lili Boulanger nicht nur mit der kompositorischen Männerwelt, sondern vor allem mit ihren eigenen Gebrechen.
Das Konzert in der Dresdner Musikhochschule widmete sich diesen Komponistinnen mit einem klugen, wunderschönen Programm ganz im Zeichen des Lenzes. Es wurde viel von den Farben des Frühlings, dem Erwachen von Natur und Liebe, idyllischen Frühlingsnächten gesungen – man meinte den Duft des Lenzes förmlich zu spüren.
Der lichten, impressionistisch angehauchten Farbenwelt Lili Boulangers standen Lieder von Fanny Hensel gegenüber, reich an Empfindungen, schwärmender Romantik. Susanne Prager las zarte Naturlyrik von Selma Meerbaum-Eisinger, einer 1942 ebenfalls früh verstorbenen Dichterin. In das Gesamtkonzept fügten sich die drei Lieder der Dresdner Komponistin Silke Fraikin nicht nur gut ein, nein – sie stellten in ihrer phantasievollen Intimität eine lohnenswerte Bereicherung dar.
Der Kammerchor Pesterwitz unter Anne Horenburg präsentierte sein feines, rundes Klangbild, agil und ebenso präzise wie lebendig. Das atmete Frische und Transparenz, intonatorisch vorzüglich und auf besondere Weise souverän auch im Umgang mit diffizilen stimmlichen und gestalterischen Ansprüchen, etwa in Silke Fraikins „Dämmerung“ oder ihrer Uraufführung „Blätter“ – mit großen Tonumfängen, expressiven Ausbrüchen, geheimnisvollem Summen und Zischen. Keck und munter erklang Fanny Hensels „Unter des Laubdachs Hut“ oder auch voller Zauber die „Morgendämmerung“ nach Geibel.
Nahtlos verbanden sich der Chorgesang und die Solistinnen in optimaler, klanglicher Weise, z.B. in der duftigen Miniatur „Renouveau“ von Lili Boulanger.
Mit gestalterischem Gespür und stimmlicher Schönheit ging Britta Schwarz den hochromantischen Sololiedern auf den Grund. Anna Palimina konnte mit ihrer klaren, silberhellen Sopranstimme überzeugen. Besonders ihre vielschichtige Auseinandersetzung mit Ausschnitten von Boulangers dreizehnteiligem Zyklus „Clairières dans le ciel“ sollte im Ohr bleiben. Sie verwirklichte die Vorstellung der Schöpferin perfekt, dass die Lieder mit „dem Gefühl gesungen werden, eine Vergangenheit hervorzurufen, die voller Frische geblieben ist“. In der ihr eigenen, feinsinnigen Art war Christine Hesse am Flügel die ideale, inspirierende Partnerin.
Dem machtvollen, emphatischen Lobgesang auf die Sonne „Hymne au Soleil“ schloss sich in stimmungsvollem Kontrast noch eine A-cappella-Zugabe an, die alle Mitwirkenden vereinte: Hensels „Abschied‘ nach Eichendorff – sehr schlicht und in sich ruhend.

Frau Hanns erlaubte freundlicherweise, ihren Text hier zu veröffentlichen.

Dresdner Neueste Nachrichten, 11.9.2018

Ein großes Geschenk zum Jubiläum
Bachs Messe in h-Moll erklang in Pesterwitz
VON MAREILE HANNS

Ob es 1068 tatsächlich die erste urkundliche Erwähnung des heutigen Pesterwitz in Gestalt eines Burgward Bvistrici gab oder nicht, weiß man nicht so genau. Sei’s drum – dieses Datum ist die Grundlage für das jetzt groß gefeierte, 950. Jubiläum mit Festumzug, Weinfest, phantasiereichen Puppen und Masken in den Vorgärten und Musik. Sicher hingegen ist, dass es bereits um 1100 eine Kirche auf dem Burgberg gab. die heutige Jakobuskirche. Mit der Kantorin Anne Horenburg ist auf die Kirchgemeinde und den Ort selbst ein ausgesprochener Glücksfall zugekommen. Neben dem vielgestaltigen kirchenmusikalischen Leben der Gemeinde hat sie sich besonders mit dem seit 1999 bestehenden Kammerchor Meriten erworben. Es ist ein Ensemble, dessen Ausstrahlung weit über die Grenzen des hoch über Freital und Dresden gelegenen Ortes hinaus reicht. So manches Chormitglied bringt sicher ein erhebliches Mehr an musikalischer Vorbildung mit, als es sonst in Kantoreien üblich ist. Aber trotzdem bleibt Bewunderung, wie es Anne Horenburg immer gelingt, diese musikalische Qualität zu erreichen, einen Chor zu bilden ohne wirklichen stimmlichen Schwach-punkt und sich auch an schwierigste Werke heranzutrauen.
Zu dem großen Jubiläum musste es „natürlich“ mit Johann Sebastian Bachs Messe in h-Moll eines der absoluten Gipfelwerke der Musik sein. Auch beim soundsovielten Hören dieser Messe steht man staunend und bewegt davor. Die kompositorische Phantasie Bachs, die ausschweifende polyphone Kunst, der religiöse Tiefgang – diese Messe ist ein absoluter Geniestreich. Und etwas von der Begeisterung dafür und der Ehrfurcht vor dem Werk lag auch über der Aufführung unter Anne Horenburg in Pesterwitz.
Der Kammerchor präsentierte klangliche Geschmeidigkeit, Frische, steigerte sich im rechten Augenblick zu immenser Klangpracht, wußte aber auch innezuhalten („Et incarflatus“). Das im Wesentlichen ausgewogene und von souveräner Intonation geprägte Klangbild des Chores erhielt seine Krönung von der ausgesprochen höhensicheren Sopranen (,Credo“) und wahren Prachtbässen. Letztere gaben dem Chor ein wunderschönes Fundament, wofür die unbeirrt voranschreitenden Figuren im „Sanctus“ das beste Zeugnis waren. Sorgfältig und präzise wurden die Fugen gebaut. Dass Anne Horenburg bei besonders heiklen Chorstellen auch die Solisten zu Hilfe nahm, ist dabei völlig legitim und tat der insgesamt ausgezeichneten Wiedergabequalität keinen Abbruch. Die intensive Probenarbeit trug musikalisch wie hinsichtlich der gestalterischen Durchdringung reiche Frucht.
Mit dem Telemannischen Collegium Michaelstein hatten Spezialisten für die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts an den Orchesterpulten Platz genommen. Sie brachten denn auch einen fein differenzierten Part und ein warmes Timbre ein. Besonders hervorzuheben sind die durchweg herrlichen Leistungen der Holzbläser – die makellose Tongebung der Flötistinnen Dora Ombodi und Tünde Molnar, die betörend schönen Oboentöne von Robert Herden und Annelie Matthes sowie die blitzsauber agierenden Fagottistinnen Eva Maria Horn und Michaela Bieglerova – und das fein akzenturierende Continuo um Sebastian Knebel.
Auch im solistischen Bereich, der aus Marie Hänselt, Britta Schwarz, Kim Schrader und Cornelius Uhle bestand, gibt es nichts zu mäkeln – im Gegenteil. An diesen Positionen sang man in jeder Hinsicht überzeugend, ob es nun das zart-innige „Laudamus“, die prächtige Bass-Arie „Et in spiritum sanctum“ oder aber die fröhlich dahin eilende Tenor-Arie „Benedictus“ war. Und als Britta Schwarz ganz in sich ruhend und völlig schnörkellos in das „Agnus Die“ eintauchte, war das einfach nur beglückend. Klug proportioniert entwickelt sich dann das „Dona nobis pacem“ zu jener ergreifenden Schlusssteigerung, die es sein soll.

Frau Hanns erlaubte freundlicherweise, ihren Text hier zu veröffentlichen.

Sächsische Zeitung, 26.2.2018

Globuli fürs Volk
VON SEBASTIAN THIELE

… Anstelle der drei Götter im Stück steht der Kammerchor Pesterwitz im zweiten Rang. Und singt den Text über den Köpfen des Publikums. Oder er imitiert virtuos vermeintliche Regengeräusche. Diese klangvollen Arrangements von Benedikt Schiefer sind echte Farbtupfer des Abends. Vergeblich verrenkt sich das Publikum die Hälse nach oben, um den Götter-Chor zu schauen. ….


Freie Presse, 25.2.2018

Theaterstück am Staatsschauspiel Dresden: „Los, sucht euch selbst den Schluss“
VON GARIELE FLEISCHER

… Die immer mal wieder aufwallenden Wolken mögen zwar die Götter ankündigen, die den guten Menschen suchen – aber sie sind verzichtbar. Denn dafür gibt es den hervorragend aufgestellten Kammerchor Pesterwitz. Die Damen und Herren agieren vom zweiten Rang mit Paul Dessaus Musik als Götter, sorgen für Geräusche und haben dabei eine solche fordernde Aussprache, mal laut, mal zischelnd, dass es einem im Parkett erschaudern lässt. …


nachtkritik.de, 24.2.2018

Der gute Mensch von Sezuan – Nora Schlocker holt Brecht in Dresden konzentriert und ohne falsche Aktualisierung auf die Bühne
Alles hat zwei Seiten – VON MATTHIAS SCHMIDT

…Einen Abend, der ohne viel technisches Chichi auskommt. Na gut, ein bisschen Nebel, ab und an. Sonst herrschen Ruhe und Konzentration. Der Kammerchor Pesterwitz füllt kraftvoll aus dem zweiten Rang mit Dessaus Musik den Saal und gibt zudem verschiedene Geräusche. Regen zum Beispiel – leichtes Klatschen. Verblüffend. So etwas kann nur das Theater. …


THEATER, 27.2.2018

Der gute Mensch von Sezuan im Staatschauspiel Dresden
VON BARBARA STAUDENMAIER UND MEIKE KRAUß

…Noch mit voller Saalbeleuchtung erscheint Anton Petzold als Wasserträger auf der Bühne. Die Zuschauer*innen verstummen und bei den ersten, geradezu göttlichen Harmonien des Kammerchors von den obersten Rängen der Tribünen dreht sich so mancher Kopf suchend blickend nach hinten um. Gänsehaut überkommt einen, bei dieser musikalischen Kraft. …


Dresdner Neueste Nachrichten, 26.2.2018

Gefühlvolles Kolorit statt statt scharfer Dialektik
VON THOMAS PETZOLD

… Statt der drei Götter, die bei Brecht die Provinz Sezuan heimsuchen, um nur einen einzigen guten Menschen zu finden, bietet sie (Nora Schlocker) gar einen ganzen Kammerchor (aus Pesterwitz) auf, der von der Höhe des ersten Ranges in mystisch klangvollen Gesängen seine Erwartungen und Belehrungen von sich gibt. …